Maiwipferl – heilkräftiges Grün aus dem Wald

M aiwipferl sind eine ganz besondere Delikatesse. Die hellgrün leuchtenden Triebspitzen von Fichte oder Tanne sind eine kulinarische Bereicherung aus dem Wald.

Mit ganzer Kraft beginnen im Frühjahr die Bäume zu wachsen. Die sogenannten Triebsprossen, Triebspitzen bzw. Maiwipferl oder Maiwuchs sind die neuen Triebe der Bäume für das bevorstehende Jahr. Der Monat Mai ist es, der mit den Maiwipfeln der Tanne oder Fichte in der Küche aufwarten kann und diese Zutat ist nur saisonal verfügbar. Das Nadelgrün erfreut sich vieler Anwendungsbereiche, ob als kulinarische Delikatesse, Heilmittel oder in der Kosmetik.

Tanne oder Fichte?

Oft stellt sich die Frage, ob man gerade vor einer Fichte oder einer Tanne steht.

„Die Fichte sticht, die Tanne nicht“

Mit diesem ganz einfachen Merksatz kann man diese zwei immergrünen Nadelbäume gut auseinanderhalten: Die Nadeln der Fichte sind spitz zulaufend und stechen leicht, die Nadeln der Tanne hingegen bilden am Ende einen runden Abschluss. Die Nadeln der Tannen haben auf der Unterseite auch zwei helle Streifen.

Sowohl Tanne als auch Fichte zählen zu den Kieferngewächsen, wobei die Fichte harzreicher als die Tanne ist. Die Sammelzeit der Triebe ist – wie das Wort Maiwipferl schon vermuten lässt – je nach Region und Wetterbedingungen hauptsächlich im Mai.

Maiwipferl in der Küche

Maiwipfel können mit ihrem fein harzigen bzw. auch balsamisch bezeichneten Geschmack – leicht säuerlich, aber auch mit dezenter zitroniger Note – vielseitig eingesetzt werden. Verführerisch ist der ätherische Geruch, der sich in der Küche ausbreitet, wenn man Maiwipfel verarbeitet.

Die jungen Triebe sind noch weich und weniger harzig als die älteren Triebspitzen und können sowohl für herzhafte als auch süße Speisen verwendet werden. Ob frische Maiwipfel für Aufstriche oder eine Wipfelbutter verwendet werden oder traditionelle Wildgerichte verfeinern, den Salaten die Würze geben oder ob man aus den Wipfeln Sirupe und Gelees kocht, Pestos oder Senf herstellt – der eigenen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Probieren Sie beispielsweise einmal Maiwipfeltee oder die feinen Waldpralinen:

Wipfeltee

Dazu 2 TL frische oder getrocknete Maiwipferl mit 250 ml heißem Wasser übergießen,
10 Minuten zugedeckt ziehen lassen, dann schluckweise lauwarm trinken.

In der Volksheilkunde soll Wipferltee gut bei Erkältungen sein. Wissenschaftlich wurde eine Wirksamkeit allerdings noch nicht nachgewiesen.

Waldpralinen

Schokolierte Maiwipferl sind sicher eine Versuchung wert. Einfach ein paar Maiwipfel sammeln, Schokolade über Wasserdampf schmelzen und die Wipfel durch die Schokolade ziehen, auf Backpapier legen und die Schokolade erstarren lassen. Die Waldpralinen sofort als süßen Snack genießen oder als Dekoration für Süßspeisen und Cremen verwenden

Junge Tannentriebe im Mai
Die Tannentriebe sind reich an ätherischen Ölen, Harzen und sekundären Pflanzenstoffen wie Terpenen, Gerbstoffen und Flavonoiden.

Rezepte mit Maiwipferln

Frisch im Geschmack ist ein Fichtenwipfelgelee auf einem Butterbrot, das aber auch eine gute Figur im Joghurt oder Müsli macht. Auch Desserts bieten eine gute Möglichkeit, Maiwipfel zu verarbeiten. Eine Roulade mit Zitronencreme erhält durch einen Hauch von frisch gehackten Fichtenwipfeln einen ganz besonderen Touch.

Maiwipferlsirup verfeinert beispielsweise Cremen und Parfaitmassen aller Art. Die Zitrusnote des Maiwipferlparfaits harmoniert wunderbar mit einem frischen Erdbeerragout. Noch ein paar Nadeln darübergestreut, einen Klecks Schlagobers darauf und noch eine Kugel Vanilleeis und schon fühlst du dich wie im Himmel.

Maiwipferlsirup im Maiwipferlparfait auf Erdbeerragout
Maiwipferlöl und Maiwipferlsalz

Die Fichten- oder Tannenwipfel eignen sich auch, um Essig zu aromatisieren oder man legt sie überhaupt gleich in gutes Öl ein und genießt sie als attraktive Beigabe zu Käse oder einer deftigen Jause. Ein feines Maiwipferlsalz konserviert die Triebkraft der Bäume aus dem Frühling für spätere Monate und verleiht pikanten Gerichten eine fein-zitronige Note.

Ihre feine Zitrusnote lässt Maiwipferl auch wunderbar mit pikanten Gerichten harmonieren. In Schokolade getunkt begleiten sie ein Rindsfilet auf Kirschenragout und Romanescopüree. In diesem Gericht spielen die verschiedenen süß-säuerlichen und pikant-milden Aromen miteinander und verschmelzen zu einem komplexen Ganzen.

Rindsfilt auf Kirschenragout mit Schokomaiwipferln
Maiwipferl-Frischkäserolle

Wer es puristisch mag – und damit schließen wir den Kreis wieder und kommen gedanklich zum Butterbrot –, der hackt die Maiwipferln fein und wälzt darin eine leichte Frischkäserolle. Für dieses Rezept sollten die Maiwipferl noch ganz jung und frisch sein, so schmecken sie am besten. Dazu einfach knuspriges Baguette genießen!

Wissenswertes rund um die Jungtriebe

Vor allem im Zusammenhang mit den feinen, frischen Trieben, so auch den Maiwipferln, aber auch mit den Knospen bzw. dem jungen Pflanzengewebe treffen wir auf den Begriff der Gemmotherapie. Diese ist ein Teil der Phytotherapie und beschäftigt sich mit den jungen Pflanzenteilen. Junge Pflanzenteile haben eine hohe Zellteilungsaktivität.

Dem embryonalen Gewebe, das zentraler Bestandteil der Gemmotherapie ist, werden heilende Kräfte zugeschrieben und die Gemmotherapie wird naturheilkundlich eingesetzt, jedoch gibt es noch keine wissenschaftlichen Belege für die Wirkung. Verbreiteter als bei uns ist der Einsatz von pflanzlichem Embryonalgewebe in Belgien und Frankreich.

„Gemma“ bedeutet lateinisch Knospe und der Gemmotherapie liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass die geballte Kraft, die ganze Vitalität, die es zum Wachsen und Leben braucht, in der Knospe steckt. Vereinfacht ausgedrückt: In der Knospe steckt die ganze Lebenskraft und diese versucht man mit den Gemmomazeraten (Auszüge aus jungen Pflanzenteilen in einer Alkohol-Glyzerinlösung) einzufangen.

Tipps für das Sammeln von Maitrieben

Am wichtigsten ist, nur zu sammeln, was man ganz sicher kennt. Fichte und Tanne können nämlich mit der sehr giftigen Eibe verwechselt werden. Beachte darüber hinaus folgende Ratschläge zum Sammeln von Maiwipferln:

  • Sammle Maiwipferln nur von eigenen Bäumen oder hol dir die Erlaubnis des Waldbesitzers.
  • In Naturschutzgebieten und Schonwäldern, die normalerweise mit Hinweisschildern gekennzeichnet sind, ist das Sammeln verboten.
  • Wähle ausgewachsene, ältere Bäume zum Sammeln und nimm dir von den unteren Ästen jeweils nur ein paar Triebe.
  • Ernte nur so viele Maiwipferl, wie du tatsächlich verbrauchst.
  • Sammle achtsam und mit Respekt, ernte nicht alles ab. Die Bäume sollen für die Zukunft erhalten bleiben!
Junge Triebe von der Tanne, Maiwipferl

Maiwipferl sind also vor allem für die Küche eine sehr interessante Zutat, die sich sowohl gleich verarbeiten und in süßer oder pikanter Form genießen lässt als auch für später zu konservieren ist.

Informationen:

Daniela Pecnik, Ernährungslehrerin und Kräuterpädagogin

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